Toronto – Darmstadt – Frankfurt: Weichenstellungen der Digitalisierung
Die Digitalunternehmen stellen viele technisch hochentwickelte Produkte und Dienstleistungen her – und haben ein verständliches Interesse daran, diese zu verkaufen. Nötig ist eine ähnlich hochentwickelte Kompetenz von Politik und Gesellschaft, um zu entscheiden welche dieser Produkte zu welchen Bedingungen eingesetzt werden sollen und dürfen. Diese Kompetenz sollte weiter gestärkt werden. #gutlebendigital sieht sich als Beitrag dazu.
In Toronto will eine Schwesterfirma von Google einen ganzen Stadtteil bauen. Mit wirklich schönen Bildern und Begriffen wird dafür geworben und die Bürger werden seit 2017 intensiv einbezogen. Aber der Widerstand gegen die große Rolle eines Konzerns in der Stadtentwicklung wächst. Eine lokale Zeitschrift hat nun Experten nach ihren Meinungen gefragt, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Richard Florida, Experte zur „kreativen Klasse“ ist ein Fan des Projekts, ebenso wie die meisten Repräsentanten „der“ Wirtschaft. Klar dagegen positioniert sich wenig überraschen Shoshana Zuboff, die Autorin und Aktivistin gegen den Überwachungskapitalismus. Der Bürgerrechtler Michael Bryant sieht erhebliche Widersprüche zur Demokratie. Bianca Wylie von Tech Reset Canada befürchtet einen erheblichen Kontrollverlust des Staates. Eine gemeinsame Basis für Toronto würde sich im „Vital Signs“ Projekt der lokalen Bürgerstiftung finden.
In Darmstadt wird die Digitalisierung breit diskutiert. Hier stehen die technischen Möglichkeiten im Mittelpunkt. Passend dazu hat ein Digitalverband die Stadt im Wettbewerb „Digitale Stadt“ ausgezeichnet. Möglicherweise hatte ein großer deutscher Digitalkonzern, der sowohl viele Mitarbeiter in Darmstadt als auch eine wichtige Rolle auf Verbandsebene hat, auf beides einen Einfluss. Das muss nicht falsch sein, da Unternehmen immer wieder Dinge vorantreiben. Wichtig ist, dass letztlich die demokratische Kontrolle erhalten bleibt und eine echte Ausrichtung an Bedürfnissen und Wünschen der Menschen erfolgt. Im Abgleich mit den Ergebnissen aus #gutlebendigital scheint das in Darmstadt noch nicht hinreichend der Fall zu sein. Auf weiteren Bürgerabenden können sich alle Menschen selbst ein Bild machen.
Frankfurt hängt in der Diskussion über die Gestaltung der Digitalisierung und in der Umsetzung ein gutes Stück zurück. Das mag daran liegen, dass hier kein so starker Impuls aus der Wirtschaft kam. Oder die Politik ist zu sehr mit dem Bau von Schulen und Wohnungen beschäftigt. Wie auch immer: Zum Jahresende wird auch hier eine Digitalisierungsstrategie der Stadt vorgelegt, zu deren Entwicklung viele Akteure beitragen. Ich durfte kürzlich die Einblicke aus #gutlebendigital und deren Konsequenzen für Frankfurt auf dem Forum Smart City vorstellen. Das Forum ist Teil eines sehr erfreulichen, partizipativen Prozesses, in dem ganzheitlich gedacht wird und die Lebensqualität der Menschen im Mittelpunkt steht. Es geht weniger um den großen Wurf als um viele stimmige Schritte, die aber auf einer gemeinschaftlich entwickelten Basis stehen. Unser Lebensqualitätsprozess „Schöne Aussichten – Forum für Frankfurt“ bietet Anregungen dafür, ähnlich wie „Vital Signs“ in Toronto.
Kurz erwähnt sei Barcelona als gutes Beispiel für kommunale Digitalisierungsaktivitäten. Inhaltlich und methodisch ist man seit Jahren vorne dabei, ohne große Kontroversen und Bruchstellen. Im Themenfeld „Politik & Verwaltung“ hatten wir das Vorgehen in Barcelona als passend zum Zukunftsbild hochgehalten: „Die Digitalisierung wird dazu genutzt, die Demokratie zu stärken, die gesellschaftlichen Entscheidungsfindungsprozesse zu verbessern und das gegenseitige Vertrauen zu fördern.“
Die vier
Kernaussagen
Digitalisierung für Selbstbestimmung und Verantwortung
Neue Indikatoren erfassen den Einfluss der Digitalisierung auf Selbstbestimmung, Verantwortung, Vielfalt, Entlastung, und Zusammenhalt.
Vorbilder gelingender Digitalisierung
In wichtigen Indikatoren zu gelingender Digitalisierung liegen die skandinavischen Länder vorn. In Deutschland besteht erheblicher Handlungsbedarf.